Als Konzertorganistin und Orgel‑ sowie Klavierpädagogin bin ich stets auf der Suche nach Impulsen, die nicht nur mein eigenes künstlerisches Schaffen bereichern, sondern vor allem junge Menschen inspirieren und ihnen neue Wege zu eigenständigem musikalischen Denken eröffnen. Dieses Buch von Thomas Nöttling hat mich in genau dieser Hinsicht tief beeindruckt und überzeugt.
Ein Schatz interdisziplinärer Inspiration
Nöttling gelingt es auf besondere Weise, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Architektur, Bildender Kunst und Musik erfahrbar zu machen – nicht abstrakt, sondern durch konkrete, anschauliche Beispiele, die aus der Sicht des Komponierenden gedacht sind. Für mich als Interpretin war es faszinierend zu erleben, wie Klangräume im Dialog mit realen Räumen entstehen – und wie sich kompositorisches Denken in Strukturen, Proportionen und Linien spiegeln kann, wie man sie ebenso in der Architektur oder Malerei findet.
Gerade als Organistin habe ich dabei einen besonderen Zugang: Die Orgel ist untrennbar mit dem Raum verbunden – jede Interpretation wird durch den architektonischen Klangkörper mitgestaltet. Der Raumklang der Orgel, der sich aus Pfeifenwerk, Raumakustik und Position im Gebäude ergibt, ist ein klingendes Beispiel jener Verflechtungen, die das Buch so eindrucksvoll beschreibt.
Dass Arnold Schönberg – als Komponist, Denker und bildender Künstler – im Zentrum dieser Betrachtungen steht, ist ein kluger Zug: Er ist ein ideales Beispiel für jene Experimentierfreude, die wir auch bei jungen Musikerinnen und Musikern wecken wollen. Sein 150. Geburtstag bildet nicht nur den historischen Rahmen, sondern inspiriert zur fächerübergreifenden Neugier.
Für Unterricht, Nachwuchs und eigene Kreativität
Was mich besonders begeistert hat, ist die pädagogische Nutzbarkeit dieses Buches. Es ist keine trockene Abhandlung, sondern ein lebendiger, interaktiver Leitfaden:
Die QR‑Codes führen zu Musik- und Videobeispielen, die das Gelesene unmittelbar hör- und erlebbar machen – ideal für Unterrichtssituationen, in denen junge Menschen visuell und auditiv angesprochen werden.
Die ausgewählten Zitate und Künstler-Statements regen zum Nachdenken und Diskutieren an, gerade im Gruppenunterricht oder in Kompositionsprojekten.
Der biografische Zugang zeigt, dass kreative Prozesse immer auch eine persönliche Suche sind – eine Botschaft, die ich meinen Schülerinnen und Schülern täglich zu vermitteln versuche.
Auch ich selbst habe aus der Lektüre neue Impulse für mein eigenes Arbeiten mitgenommen: Wie lassen sich Räume denken? Wie können architektonische Prinzipien – Symmetrie, Spannung, Statik – in musikalische Prozesse überführt werden? Das Buch motiviert dazu, sich selbst als Teil eines größeren künstlerischen Gefüges zu begreifen.
Fazit
Dieses Buch ist mehr als ein Sachbuch – es ist ein künstlerischer Wegbegleiter. Für alle, die musizieren, unterrichten oder komponieren, bietet es einen reichen Fundus an Gedanken, Beispielen und Inspiration. Ich kann es Kolleginnen und Kollegen ebenso empfehlen wie jungen Komponierenden, die nach Orientierung suchen – nicht im Sinne fertiger Rezepte, sondern als Einladung zum forschenden Denken und schöpferischen Tun.
Ein Werk, das Ohren, Augen und Gedanken öffnet – und das kreative Feuer neu entfacht.